Remix Faust

Im Grunde wusste Faust, dass Frauen, solange man sie nicht reizt, nicht angreifen. Er hatte in der Schule, an der Universität, auf Dienststellen mit Frauen zu tun gehabt und war ihnen in der Schlange beim Einkauf dann und wann recht nahe gekommen. Aber eine Frau bei ihm daheim? In der eigenen Wohnung?
Vor allem kam ihm die Frau, die hier in seiner hochgewölbten Wohnung umher ging, gross vor, grösser als die Mehrzahl ihrer Geschlechtsgenossinnen. Faust blieb im Sessel am Pult sitzen und verfolgte angespannt ihren Erkundungsgang. Sie inspizierte die Wohnung gründlich. Zuerst war sie nur im Studierzimmer unterwegs, kreuz und quer, sie kroch unter dem Pult durch (Faust zog die Beine hoch), umkreiste den Sessel (er zog den Kopf ein). Sie verliess das Studierzimmer und ging in den Flur, Faust konnte sie nur noch hören, die Geräusche wurden schwächer, sie musste die Küche erreicht haben. Faust erhob sich und schlich in den Flur, spähte vorsichtig um die Ecke in die Küche, sah die Katzen geduckt am Boden starr in eine Richtung schauen und dort, zwei Meter entfernt, sass die Frau auf der Anrichte. Faust überlegte sich, was die Frau veranlasste, bei ihm auf der Anrichte zu sitzen. Ihm fiel kein vernünftiger Grund ein. Nun gut, die Frau wird schon wissen, was sie hier will. Auf jeden Fall war ihr Verhalten friedlich, so dass weder für seine Katzen noch für ihn selbst eine Gefahr zu bestehen schien. Er ging zurück ins Studierzimmer. Das Streben nach Höherem vermochte aber die Gedanken an den aussergewöhnlichen Besuch nicht zu verdrängen. Was wollte die Frau in seiner Wohnung?
Faust ging zurück in den Flur, bot ihr Kaffee und Tee an, Gebäck und Früchte, ein Kästchen mit geerbtem Schmuck, aber weder nahm sie etwas an noch gab sie Antwort, sie kümmerte sich nicht, hockte regungslos auf der Anrichte. Gern hätte Faust die Wohnung verlassen. Doch seine Befürchtung war, sie könnte auf die Idee kommen, aufzuräumen und für ihn wertvolle, in ihren Augen unnütze Papiere und Tollheiten entsorgen. Also blieb Faust daheim, um mögliche Angriffe auf sein Hab und Gut abzuwehren.
Stündlich wurde die Frau blasser, und es schien ihm, als verliessen sie ihre Kräfte. Sie mühte sich von der Anrichte hinunter und blieb auf dem Küchenboden knien. Faust sah sie traurig an, konnte aber wenig machen. Was war aus dieser temperamentvollen Frau geworden? Vor ihm auf dem Küchenboden kauerte eine sterbende Frau. Schweren Herzens beschloss er, ihrem Leiden ein Ende zu bereiten. Doch wie? Er mochte sie nicht mit blossen Händen erwürgen. Mutlos ging Faust durch die Wohnung auf der Suche nach einem geeigneten Gegenstand, mit dem er das Leben der Frau beenden konnte.
In der Besenkammer fand er einen alten Schrubber mit sehr kurzen und harten Borsten, dieser erschien ihm noch am besten geeignet. Zumal Faust durch den langen Stiel des Schrubbers nicht so nahe an die zu tötende Frau herangehen müsste. Und daher, hoffentlich, das Splittern ihres Schädels nicht würde vernehmen müssen. Mit dem Schrubber in der Hand trat Faust in die Küche.
Die Frau kauerte am selben Platz. er baute mich vor ihr auf.
In Gedanken bat er sie, aufzustehen und die Wohnung zu verlassen, doch nichts geschah. Sie kauerte regunglos.
Also muß es wohl sein. Faust hob den Schrubber, als die Frau ihren Kopf hob, ihn ansah und zum ersten Mal das Wort an ihn richtete.
„Nun sag, was bedeutet dir die Zweisamkeit?“, fragte sie mit leeren Augen. „Du bist ein kluger Mann, aber ich glaube, du hältst nicht viel davon.“
Faust wich zurück. Er ließ den Schrubber sinken und ging beschämt ins Studierzimmer. Dort liess er sich in den Sessel fallen und begrub das Gesicht in beide Hände.
Mein Gott, wie sie mich angesehen hat! Dann sah er die Frau über die Schwelle ins Wohnzimmer kriechen. Gebannt sah er zu, wie sie sich langsam, aber zielstrebig auf den Balkon zubewegte. Erleichtert sprang Faust auf, um ihr die Tür zu öffnen und ihr über die Brüstung zu helfen.